Immer wieder bekomme ich Anfragen von Menschen, die nach Paraguay auswandern möchten, die sich auf meine Erfahrungen und Einschätzungen zum Wohnprojekt El Paraiso Verde von Erwin Annau beziehen. Dazu möchte ich zunächst einmal klarstellen, dass ich mir ganz und gar nicht anmaßen möchte, über ein Projekt zu urteilen. Ganz sicher wird über kein Wohnprojekt in Paraguay so viel erzählt, wie über das El Paraiso Verde und kein Projekt scheint so mysteriös, wie das von Sylvia und Erwin Annau in Cazaapá.
Ist das El Paraiso Verde Abzocke oder gar Betrug?
Wie alles im Leben gibt es auch in der Betrachtung des El Paraiso Verde zwei Seiten. Doch ist das El Paraiso Verde dementsprechend Abzocke und Betrug? Viele “Ehemalige”, die man hier in Paraguay trifft, behaupten dies.
Zunächst möchte ich sagen, dass ich gut verstehe, dass es seltsam anmutet, dass man ERST einen Vertrag unterschreiben muss für etwas, was man dann erst besuchen darf. Dies war für mich 2017, als ich das erste Mal über das Wohnprojekt stolperte ein triftiger Grund argwöhnisch zu sein. So bestand ich darauf, ohne eine organisierte “Investorenreise” vorbeischauen zu dürfen. Ich hatte für 2028 ohnehin eine Tour durch Südamerika geplant und hatte das Glück, mich in Paraguay dann einer der geplanten Investorengruppen für ein paar Tage anschließe zu dürfen, ohne mich vorab zu verpflichten oder das ganze Prozedere der Einwanderungsformalien mitzumachen. Ich bin ein freiheitsliebender Mensch, der seit Jahren quer durch die Lande reist und daher ganz sicher nicht für eine organisierte Reise zu begeistern. Allein aus diesem Grund passte das Vorgehen nicht so ganz zu meiner Mentalität.
ABER: Das El Paraiso Verde zielt aber mit seinem Vorgehen genau auf die Mentalität der meisten Deutschen ab: Schlüsselfertiges Auswandern. Insofern hat die Vorgehensweise in jedem Fall eine Sinnhaftigkeit, die weniger im restriktiven Verhalten des EPV als viel mehr in der Mentalität der meisten Deutschen begründet ist. Man wird am Flughafen abgeholt, macht im Rudel seine Cedula und braucht nie einen Weg ohne Begleitung nehmen. Man braucht kein spanisch sprechen und muss sich auch sonst nicht damit rumschlagen, sich irgendwie mit dem Land, in das man gehen möchte, auseinanderzusetzen. Und schließlich kennt man ja auch niemanden in diesem fernen Lande und überall hört man von der Kriminalität Südamerikas.
Ich möchte mir darüber kein Urteil erlauben, sondern möchte nur beispielhaft anführen, dass ich zu dieser Zeit mit einem von einer Autovermietung angemieteten Kleinwagen quer durch Paraguay fuhr, mutterseelenallein als Frau unterwegs ohne auch nur ein Wort spanisch zu sprechen. Von meinem damaligen zweiwöchigen Aufenthalt verbrachte ich vier Tage im Projekt El Paraiso Verde, den Rest der Zeit überlebte ich dennoch. Im Herbst 2018 kam ich dann zurück, wieder ohne Projektanschluss, um meine Cedula auf eigene Faust – natürlich MIT Einwanderungshelfer – zu machen, die ich keine vier Wochen später in den Händen hielt.
Dennoch begeisterte mich das Projekt. Von Anfang an schlugen zwei Herzen in meiner Brust. Zum einen war ich begeistert von den wunderbaren Menschen, die sich hier als Auswanderer der ersten Stunde zusammengetan hatten. Zum anderen war da immer dieses Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte… Ich konnte es nicht genau benennen, aber irgendetwas schien mir intuitiv nicht in der Wahrhaftigkeit. Das spiegelt allein MEINE Wahrnehmung und ist – wie alles intuitive – nicht erklärbar. Dennoch kaufte auch ich im Herbst 2018 einen viertel Hektar, einfach weil ich die wenigen Siedler, die es zu diesem Zeitpunkt gab, unfassbar schätzte. Außerdem begeistern mich große Visionen. Und Erwin war ganz sicher ein Visionär. Vielleicht war es auch einfach so, dass dieses seltsame Gefühl den Zwiespalt zwischen der schier unerreichbaren Projektgröße/ Vision und meinem Vorstellungsvermögen lag. So ging es damals sehr vielen Käufern. Man brauchte sehr viel Vertrauen und Visionärsgeist, damals, als ja noch gar nichts sichtbar war. Das fehlte den meisten zukünftigen Siedlern und so verließen sie das Projekt wieder. So wir ich suchten damals viele Deutsche, die ahnten was kommen würde, einen Plan B … aber dennoch schien noch alles in so weiter Ferne … Viele, die ein Grundstück kauften, blieben am Ende doch in Deutschland.
Ende 2017, noch ganz in den Anfängen des EPV stolperte ich persönlich über deren Website und kenne das Projekt seit 2018, war einmal selbst einer der so genannten “Pionieros”. Mein Erfahrungsbericht nach meinem letzten Besuch in Cazaapá, den ich im Anschluss für die Website des EVP geschrieben hatte, spiegelt ganz sicher meine Empfindungen zum Projekt gut wieder. Wir selbst haben uns – trotzdem der erste Container, der im El Paraiso Verde aufgestellt wurde, der von meinem Lieblingsmenschen an meiner Seite war, letztlich gegen ein Leben im Wohnprojekt entschieden. Dies hat verschiedene Gründe, die ich euch hier gern wiedergeben möchte und die ausdrücklich nur meine eigenen Empfindungen widerspiegeln.
Meine persönliche Entscheidung gegen das El Paraiso Verde
- Wie schon beschrieben blieb dieses “irgendwie unstimmige Gefühl”, trotzdem ich Sylvia und Erwin Annau sehr persönlich kennenlernen durfte. Dass jemand einmal bei Scientology ziemlich weit oben in der Karriereleiter stand, so wie man es über Sylvia und Erwin Annau überall im Netz findet, ist jedoch für mich allein noch kein Grund, das Projekt abzulehnen. Wir alle nehmen verschiedene Wege im Leben, die uns reifen und uns erfahren lassen. Verurteilt man jemanden, nur weil er einmal in einer Jugendgang war oder ab und zu einen Joint raucht?
- Mich als Freigeist störten die klaren Vorgaben im EPV. Ein wenig hatte ich das Gefühl, man verlässt Deutschland, um selbstbestimmt und frei zu leben und gibt sich in die Hände eines neuen Systems. Denn auch wenn ich Sylvia und Erwin sehr schätze, so muss ich schon sagen, dass diese beiden ganz klar die Regeln machen. Diese muss man mittlerweile auch unterschreiben. Es ist gut, sich hohen Werten zu verschreiben, doch möchte ich diesen freiwillig aus innerster Überzeugung folgen und nicht, weil ich die Regeln eines anderen unterschrieben habe.
- Man hat ein Grundstück und hat doch keines. Auch wenn es mittlerweile im Gegensatz zu früher so ist, dass man auch im El Paraiso Verde den Titel für sein Grundstück erhält, so kann man es doch nicht nach freien Stücken verkaufen. Der Käufer muss immer immer vom EPV akzeptiert sein. Auch konnten wir unser Grundstück nicht einfach verkaufen, als wir uns entschieden, nicht im Projekt zu bauen, sondern mussten es zum gleichen Preis zurückgeben, obwohl die Grundstückpreise mittlerweile deutlich gestiegen waren. ABER: Das Thema “Titel” hat Erwin mittlerweile gelöst und soweit ich weiß, haben nun alle Siedler den Titel zu ihrem Grundstück.
- Apropos Preise im El Paraiso Verde: Natürlich zahlt man die Infrastruktur mit und das ist auch in Ordnung so. Welchen “Aufschlag” einem dies wert ist, darf jeder für sich entscheiden. An dieser Stelle sei nur gesagt, dass man außerhalb von Wohnprojekten ca. 20.000 Euro pro Hektar zahlt. (Stand 2021) ABER: Es ist durchaus legitim, für eine fertige Infrastruktur und ebenso für den ideellen Wert des Projektes seinen Preis außerhalb der Marktpreise festzusetzen.
- Auch bauen durfte man nicht einfach mit einem selbst ausgewählten Bauunternehmer. Alles musste über das EPV abgewickelt werden. Und obwohl aktuell wirklich unzählige Bautrupps vor Ort sind, bedeutet dies doch, erst einmal sehr lange auf die Fertigstellung seines eigenen Domizils warten zu müssen. Externe Bauunternehmer durfte man damals nur gegen eine Abschlagszahlung von 25 Prozent “Strafgeld” für die Abnutzung der Wege etc. beauftragen. Stand 2024 hat sich aber auch dies wohl mittlerweile geändert.
- Nun aber mein persönlich wichtigster Grund gegen des EPV damals: Ich persönlich mag die Region um Cazaapá einfach nicht. Mir ist es dort einfach viel zu eintönig und flach. Erst als ich damals weiterfuhr entdeckte ich, dass es deutlich schönere Fleckchen Erde in Paraguay gibt. Die meisten Deutschen, die über eine Investorenreise ins El Paraiso Verde kommen, lernen die schönen Fleckchen im Lande meist erst viel später kennen da sie meist auf lange Zeit nur im Umkreis des Projektes unterwegs sind.
- Ich bin einfach kein “Reihenhaustyp”. Das musste ich schon in Deutschland schmerzlich erfahren. Ich liebe die Gesellschaft von Menschen – wenn ich sie mir aussuchen kann und mich auch immer wieder aus Gemeinschaft zurückziehen kann. Da wo wir jetzt wohnen, gibt es auch sehr viele Deutsche im Umfeld, man trifft sich zum Stammtisch oder spontan beim “Albert”, wo immer irgendjemand zum Quatschen sitzt. Und danach fahren wir wieder auf unser eigenes Grundstück und schließen das Tor.
Fazit meiner persönlichen Erfahrungen im El Paraiso Verde
Wie schon gesagt: Das Projekt entsprach einfach auf Dauer nicht MEINEM Lebensmodell. Ich verstehe aber, dass sich vor allem viele Deutsche, für die es in der aktuellen Zeit schnell gehen muss, dafür begeistern. Und ich ziehe wirklich nach wie vor den Hut davor, was Sylvia und Erwin dort geleistet haben. Ich kenne wirklich die Anfänge des Projektes, als wir knietief im Schlamm steckten und uns ein dreckiges Baggerloch mit einem Krokodil darin eine Vision eines eigenen Sees verriet. Wenn ich mir heute die Videos aus dem EPV anschaue, zaubert es auch mir ein Lächeln ins Gesicht, zu sehen, wie dort nun endlich die Kinder spielen, das lang geplante Schulprojekt gestartet ist und sich die Siedler im Café zu einem Plausch treffen. Und auch wenn heute kein “Siedler der ersten Stunde” mehr vor Ort ist und erst im Frühjahr 2021 noch einmal ein großer Schwung Siedler das Projekt wieder verließ, sehe ich, dass viele verzweifelte deutsche Familien dort ihre Heimat gefunden haben und freue mich von Herzen, dass Sylvia und Erwin nun endlich die Erfüllung ihrer Vision miterleben dürfen.
Möge ein Jeder seinen Weg finden.
Möge ein Jeder den Mut haben, seine Entscheidung fernab des Gedanken vom “schlüsselfertigen Auswandern” zu treffen.
Möge jedes Projekt, das in Wahrhaftigkeit entstanden ist und geführt wird, höchste Unterstützung erfahren.
Mögen wir alle ein Leben in Freiheit und Selbstbestimmung führen.
Dennoch möchte ich euch allen einen letzten Gedanken mit auf den Weg geben: Urteilt nicht nach Hörensagen! In Paraguay wird viel Klatsch und Tratsch verbreitet … leider. Ich selbst versuche mich immer an einen Leitsatz aus der Bibel zu halten: “An seinen Früchten werdet ihr den Baum erkennen.” Vielleicht war ich damals einfach im EPV als das junge Pflänzchen noch zu klein war und an Früchte längst nicht zu denken. Heute aber beeindrucken mich die Früchte, die ich aus der Ferne beobachten kann, sehr.