Handelt es sich beim Siedlerprojekt „El Paraiso Verde“ um Betrug oder um so etwas wie die die Arche Noah in stürmischen Zeiten? Diese Frage bekomme ich von Menschen, die nach Paraguay auswandern wollen, immer wieder gestellt. Beinahe jeder, der sich für das Thema „Auswandern nach Paraguay“ interessiert, stößt früher oder später über das Projekt „El Paraiso Verde“, welches im August 2016 von Sylvia und Erwin Annau als eine Art Arche Noah vor allem für deutschsprachige Auswanderer ins Leben gerufen wurde. Wohl wissend, dass das Leben in Deutschland immer ungemütlicher werden würde, vor allem aber auch, um die deutsche Kultur zu bewahren, startete das Ehepaar ambitioniert das vielleicht größte Auswandererprojekt weltweit. 1711 Grundstücke sollten auf einem geschützten Gebiet von 1423 Hektar deutschen Auswanderern eine neue Heimat bieten. So weit so gut.
EPV – Alles nur Betrug?
Einige Jahre später ranken sich nicht nur um das EPV, sondern auch um Sylvia und Erwin Annau allerhand Gerüchte. Viele Deutsche, die nach Paraguay auswandern wollten, haben im „El Paraiso Verde“ ihre neue Heimat gefunden. Wahrscheinlich genauso viele haben über die Jahre das Projekt wieder verlassen und sind so genannte „Ex-EPVler“, wie man sich selbst oft benennt. Im Netz findet man so alles Mögliche: Betrugsskandale, Verleumdungen, vernichtende Fernsehreportagen über Erwin Anna, den Scientologen…
Und da mein Lieblingsmensch und ich quasi auch „Ex-EPVler“ sind und ich mich vor allem irgendwie verpflichtet fühle, die Fragen, die mir Paraguay Auswanderer über meinen Blog in den unzähligen Calls, die ich führe, immer wieder stellen, möglichst neutral zu beantworten, dachte ich, es sei mal wieder an der Zeit, dem „El Paraiso Verde“ einen Besuch abzustatten. Genau jetzt, wo die Gerüchteküche so richtig schön brodelt…
Warum mein Lieblingsmensch und ich uns letztlich dafür entschieden haben, uns lieber außerhalb des „El Paraiso Verde“ ein neues Zuhause zu suchen, darauf gehe ich ausführlich in diesem Beitrag ein. Hier und heute möchte ich euch gern meine topaktuellen Eindrücke schildern, die ich soeben aus dem EPV als Erfahrungen mitgebracht habe. Außerdem war es mir doch glatt vergönnt, Erwin Annau bei einem Frühstückscafé, den wir nur noch eben schnell vor unserer Heimfahrt am Backcontainer nehmen wollten, ein paar provokante Fragen zu stellen. Fragen, die ich immer wieder in meinen Calls höre, die ich aber auch für mich selbst immer schon mal klären wollte. Ich bin ein Mensch, der sich einfach gern selbst eine Meinung bildet. Doch zunächst lasst mich meine neuesten Erfahrungen aus dem El Paraiso Verde mit euch teilen!
Unsere top aktuellen Erfahrungen aus dem El Paraioso Verde (2024)
Irgendwie müssen mein Lieblingsmensch und ich selbst immer schmunzeln, denn wir sind sowas wie „Grenzgänger“. Wir haben quasi all die Fragen, die uns deutsche Auswanderer über das „El Paraiso Verde“ oft stellen selbst durchlebt. Haben ein Grundstück gekauft, es wieder zurückgegeben, uns weit entfernt ein anderes Zuhause gesucht … und kommen doch immer wieder ganz gespannt und gern dorthin zurück um zu schauen, wie der Stand der Dinge ist. Unsere Erfahrungen im „El Paraiso Verde“ aus März 2024 teilen wie hier gern mit euch.
Zunächst einmal waren wir beide riesig gespannt auf die Stimmung im EPV nach all den neuesten „Skandalen“. Juan Buker, ehemaliger Geschäftführer im „El Paraiso Verde“, hatte nach Betrugsvorwürfen und Vorwürfen der Untreue als Geschäftsführer gekündigt. „Paraiso Verde wird zur Hölle für Investoren“ titelte auch das deutschsprachige Wochenblatt in Paraguay. Und als wäre all dies noch nicht genug, wurde vor kurzem auch noch eine ARTE Doku ausgestrahlt, in der eine verzweifelte Mutter ihre Tochter aus dem EPV befreien wollte, die dort angeblich „gehirngewaschen“ festgehalten wird. Da wir dieses Mädchen mit seiner Mutter tatsächlich selbst aus unserer damaligen Reisegruppe kannten, interessierte es uns natürlich auch, wie es Indira ging. Würden wir sie völlig verstrahlt und den Annaus hörig vorfinden oder vielleicht auch gar nicht zu Gesicht bekommen? Wir freuten uns auf jeden Fall auf zwei spannende Tage und waren ganz nebenbei überrascht, dass wir als „Auswärtige“ tatsächlich einfach mal so als Gäste in einem der neu gebauten Hotelzimmer einmieten konnten.
Am Eingang wurde, wie in einem „Barrio Privado“ in Paraguay üblich, unser Ausweis von gut gelaunten Wachmännern kontrolliert. Sie baten uns kurz zu warten, bis uns jemand abholen kommen würde. Prompt stand Melanie, Sylvias Assistentin, vor uns um uns unser Zimmer zu zeigen und einen aktuellen Lageplan mit allerlei Hinweisen über Öffnungszeiten von Mini Mercado, Arzt und Bar in die Hand zu drücken. Da wir doch durch alle Geschehnisse etwas sensibilisiert waren und vor allem mein Lieblingsmensch sehr spürig ist, versuchten wir in jeder Sekunde die Schwingungen einzufangen, die uns begegneten. In den fünfzehn Minuten, bis das wir unser Zimmer bezogen hatten, waren uns einige Siedler begegnet. Und da war es schlagartig wieder da, was uns bereits damals so sehr am „El Paraiso Verde“ fasziniert hatte: Diese so unfassbar angenehme Atmosphäre, wenn sich aufrechte, bewusste Menschen begegnen. Jeder hat ein Lächeln im Gesicht, grüßt, winkt zurück… Bereits nach weiteren fünfzehn Minuten resümierten wir beide, dass keinerlei schwere Stimmung in der Luft liegt. Wir fühlten uns wie in einer Robinson Club Anlage in der man eben aufpassen musste, dass man nicht von wild den Weg kreuzenden Kindern auf ihren Fahrrädchen überfahren wird. Bei einem Eiscafé im neu entstandenen Café lud uns eine Siedlerin, mit der wir ein kurzes Pläuschchen hielten, spontan zur Generalprobe der Musik AG um 18 Uhr im „Gebäude der alten Schule, ihr wisst schon…“ ein. Welch ein Freizeitstress. Wir wollten doch erst noch unbedingt den neuen Mini-Mercado durchstöbern und im See baden!
Natürlich kommen wir zu spät zum Konzert der Musik AG, versuchen uns noch schnell unbemerkt in „die alte Schule“ hineinzumogeln und platzen geradewegs in „Bruder Jacob“, der gerade im Kanon angestimmt wird, hinein. Ich bekomme Gänsehaut bei dem Gedanken, dass hier, am anderen Ende der Welt, die deutschen Volkslieder gepflegt werden während in Deutschland gerade eine 16-Jährige von drei Polizisten aus dem Unterricht abgeführt wurde, weil sie das Wort „Heimat“ auf Tik Tok benutzt hat. Typisch Nazi eben – beides! Und spätestens als dann ein israelisches Friedenslied dreistimmig auf Hebräisch angestimmt wird, werde ich wehmütig. Was nur ist aus dieser Welt geworden? Doch hier geht es niemandem darum, über die schlimmen Zeiten zu lamentieren und so höre ich mich kurze Zeit später selbst ein „Froh zu sein bedarf es wenig“ im Kanon in der vierten Stimme trällern.
Genug geträllert, für den Abend freuen wir uns auf einen Hamburger und einen Caipirinha in der Bambambo Bar. Einige der großen Tische sind bereits besetzt – hier sitzt niemand allein am Tisch. Und so bittet uns ausgerechnet Indira, die „unfreiwillig Festgehaltene“ an ihren Tisch. Sie genehmigt sich gerade mit ihrem Freund Gabriel, Sohn von Sylvia und Erwin Annau, eine viel zu große Pizza. Unsere Freude ist riesig, sie so lebendig und vergnügt hier wiederzusehen und wir erzählen über „damals“, als wir in der gemeinsamen Reisegruppe auf der Ladefläche eines Pickup über das völlig unbebaute Land fuhren und Erwin uns wild gestikulierend erklärte, wo einmal die Gärtnerei, der Baumarkt, ein Café, die Schule, das Hotel und die Wohnhäuser stehen würde. Wir sahen nur … flaches Land! Und heute stehen sie da: die Gärtnerei, der Baumarkt, das Café, Hotel und mittlerweile über 80 Wohnhäuser von Siedlern. Ein Wahnsinnsprojekt! Mir fehlte die Vorstellung damals. So wie vielen anderen, die anfangs noch begeistert, schnell wieder das Projekt verließen. Pionier zu sein ist eben nicht so einfach. Und auch damals gab es bereits so einige Gerüchte … Erwin und Sylvia würden eigentlich gar nicht in diesem ollen Wohncontainer wie die anderen leben, sie hätten eine Villa in der Stadt, in die sie nachts fuhren….
Ich freue mich, ausgiebig die Gelegenheit zu haben, mit Indira zu sprechen. So eine aufrechte junge Frau ist sie geworden. Als Mutter schmerzt es mich, dass ihre Mama sie so nicht erleben kann, da sie sich offensichtlich so sehr in ihren eigenen Film verrannt hat. Sie wäre so stolz auf ihr Mädchen! Fremdbestimmt wirkt sie auf mich nicht. Voller Freude erzählt sie von ihrer Arbeit im Kindergarten und plant mit Gabriel endlich mal „ans Meer“, nach Encarnación zu fahren.
Als die Bar um zehn Uhr schließt hat mein Schatz einen halben Caipirinha zu viel getrunken und wir schlendern mit sehr ruhigem Herzen unter dem Sternenhimmel zu unserem Zimmer. Morgen früh noch am Backcontainer lecker frühstücken und dann zurück nach Caacupé.
Gott lacht, wenn der Mensch Pläne macht. Als wir am nächsten Morgen zwischen Kindern, die mit ihrem Fahrrädchen – manchmal den Hund im Schlepptau – und anderen Siedlern, die Brötchen und Laugenbrezeln fürs Frühstück holen, vor dem Backcontainer stehen, kommen Sylvia und Erwin Annau geradewegs auf uns zu, um sich einen Frühstückcafé zu genehmigen. Ich wittere meine Gelegenheit, all die Fragen loszuwerden, die ich schon immer stellen wollte und die gleichfalls so oft in meinen Calls mit Menschen, die nach Paraguay auswandern wollen, auftauchen und wir setzen uns auf einen Moment dazu. Aus dem Moment werden gut zwei Stunden und an unserem Gespräch lasse ich euch nun gern hier in einem weiteren Beitrag gern teilhaben.
Und für alle, die sich für das El Paraiso Verde in Paraguay interessierenKlickt auf den Link!